Sonntag, 7. Juli 2013

Loppo in Ecuador - Teil 2: Im Amazonastiefland bei Jatari

Nachdem wir das Valle Intag der AACRI hinter uns gelassen hatten, ging die Fahrt durch den Nebelwald in das nahe gelegene Cotacachi, Stadt des Leders und der amerikanischen Rentner. Hier hatten die Verantwortlichen der AACRI noch ein letzten Stopp für uns eingeplant: Bei einer großen Feier im Café der Kooperative sollten Luzia von der Kaffeemanufaktur Machhörndl und ich Kaffee ausschenken, während die mitgereisten Basler von Haenowitz & Page Einblicke in die Kunst des Röstens geben sollten. Pingo wurde derweilen von der lokalen Presse in Beschlag genommen und fand genug Möglichkeiten, den Minenkonflikt anzusprechen. 
Das Kaffeeequipment und die Milch waren recht fragwürdiger Natur, aber es war ein skurriles Erlebnis mitten in einer Andenstadt 300 Kaffees in 2 Stunden auszuschenken, während das 30 köpfige Blasorchester der Stadt aufspielt und die Polizei mit ihren Autoscheinwerfern für Licht sorgt...

Am nächsten Morgen machten wir uns früh auf, um die Anden hinter uns zu lassen und in das dichte Grün des Amazonastieflands einzutauchen. Unsere Mission hieß nun: Robusta finden! Hier mag der Loppo-Kenner vielleicht aufschrecken und sich fragen: "Robusta? Seit wann denn das?" Und ganz Unrecht hat er dabei nicht, denn wir haben nicht vor, Robusta zu verwenden. Obwohl die Qualität der Bohnen in der von uns besuchten Kooperative sehr hoch einzuschätzen ist, passt diese Art von Kaffee nicht in unser Espressoverständnis. Nichtdestotrotz ist Kaffee immer noch Geschmackssache und auch die Robustamischungen haben sehr viele Liebhaber. Zudem war es für mich sehr interessant zu sehen, welche anderen Anbauformen von Kaffee es noch gibt. Während Arabica je nach Region zwischen 500 m und 2000 m anzufinden ist, kann Robusta sogar auf Meeresniveau angebaut werden. Die Pflanzen haben nicht nur ein anderes Aussehen, sondern sind viel pflegeleichter als die Verwandte Arabicapflanze. Außerdem, was würde man nicht alles tun, um den Rio Napo und den Dschungel von nahem zu sehen? ;-)

Die Fahrt wurde uns im ersten Teil schon durch atemberaubende Ausblicke auf die Vulkanlandschaft versüßt.

Schneebedeckter Vulkan bei Otavalo

Doch die sich vor einem ausbreitende Tiefebene des Amazonasbeckens verschlug einem gar den Atem.

Ab in den Dschungel!

Der Weg führte uns nach Tena, der Hauptstadt der Provinz Napo, die mit ihren 20 000 Einwohner bis jetzt noch recht unberührt von der Erdölindustrie mitten im Grün liegt. Hier trafen wir uns zunächst mit einer Mitarbeiterin von der GIZ, der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, die in der Region unter anderem Robustakooperativen unterstützt. Hier erfuhren wir, wie es um die beiden um Tena herum ansässigen Kooperativen Rukullakta und Jatari bestellt war. Die Zusammenarbeit mit der intensiv von der GIZ geförderten Robustakooperative Rukullakta hatte sich über die Jahre als immer enttäuschender erwiesen. Trotz Unterstützung machten sich das fehlende Vertrauen in die Europäer und das Ränkespiel der Erdölkonzerne in der Gemeinschaft stark bemerkbar. Die vereinbarten Mengen an Rohkaffee wurden nicht eingehalten und wichtige Personen der Gemeinschaft ließen sich von den Erdölkonzernen kaufen. Leider wieder ein Beispiel dafür, zu welchen Entwicklungen die intensive Rohstofferschließung in diesem Land führen kann.
Erfreuliche Neuigkeiten gab es allerdings von der durch Pingo betreuten Kooperative Jatari. Obwohl diese bisher wenig Unterstützung von der GIZ erhalten hatten, zeigten sie Fortschritte im Anbau der Robustapflanzen. Hier wurde das Engargement sichtbar, das bei der anderen Gemeinschaft fehlte.

Wir machten uns also zu Jatari auf, die um die Gemeinde Ahuano und auf der angrenzenden Flussinsel Isla Anaconda Robusta anbaut. 

Das klassische Einbaum-Taxi

Obwohl es mittlerweile auch eine Straße nach Ahuano gibt, ist der einfachste Weg noch immer der Einbaum. Exotischer kann eine Kaffeereise wirklich nicht werden! Wir übernachteten im Dschungel und machten uns am nächsten Tag ins Dorf auf, wo wir versuchten, Kaffeebauern zu finden, da wir uns nicht angemeldet hatten.



Im Dorf erfuhren wir, dass der Präsident der Kooperative noch in der Stadt sei und später zurückkommen würde. Wir fanden aber eine Farmerin, die bereit war, uns ihre Felder zu zeigen. Dafür setzten wir wieder mit dem Einbaum-Taxi auf die Isla Anaconda über und sie zeigte uns den Weg zu ihrem kleinen Kaffeefeld.

Rosaria auf dem Weg zu ihrem Kaffeefeld

Robusta

Auch bei dieser Kooperative bauen die Mitglieder oft neben Kaffee noch allerlei andere Feldfrüchte an. Rosaria verfügte über wenige Hundert Pflanzen, wobei es hier durchaus üblich ist, dass Frauen selbständig ihre Felder bewirtschaften. 
Die Pflanzen auf ihrem Feld sahen sehr gesund aus und trugen bereits viele reife Kirschen. Im Gegensatz zum Arabicakaffee haben diese Pflanzen größere Blätter und die Kirschen wachsen dicht gedrängt als Traube am Ast. Die besondere Qualität dieses Robustakaffees ist zum einen, dass wirklich nur die reifen Kirschen geerntet und verarbeitet werden. Zudem waschen die Farmer den Kaffee, wie im letzten Blogeintag beschrieben, und bereiten ihn nicht, wie sonst üblich, als Natural auf.
Durch das Gespräch mit der GIZ konnten wir Rosaria versprechen, dass bald mehr Ausrüstung für die Kaffeeverarbeitung bereit gestellt werden würde.
Zurück im Dorf trafen wir endlich auf Juan Andi, den Präsidenten der Kooperative. Auch er ist nur nebenberuflich Kaffeefarmer, wobei sein Hauptberuf Lehrer in der nächst gelegenen Stadt ist. Wir wurden zu weiteren Felder geführt und konnten einige weitere Farmer kennenlernen. 



Zwei weitere Farmerinnen

Zu guter Letzt wurde mündlich ein Kaufvertrag über den Kaffee abgeschlossen. Wir erfuhren auch, warum es im letzten Jahr nicht möglich war, die vereinbarten Mengen an Rohkaffee zu liefern: Durch einen Überfall auf das Kaffeelager der Kooperative waren größere Mengen an Kaffee verloren gegangen. An diesem Vorfall wurde deutlich, dass es dieser Gemeinschaft noch an essenziell wichtiger Ausrüstung fehlt. Die vorhandenen Lager können nicht abgeschlossen werden und auch an Verarbeitungsmöglichkeiten fehlt es. Hier wäre es auf jeden Fall möglich, mit wenigen Mitteln viel Arbeitserleichterung zu schaffen.

Unser Besuch neigte sich dem Ende zu, wobei wir durch unser überraschendes Auftauchen den traditionellen Feierlichkeiten zum Vertragsabschluss entgehen konnten. "Entgehen", fragt man sich vielleicht? Pingos Erzählungen der letzten Treffen schlossen fragwürdige Details ein, die das traditionelle Getränk, das Chicha betrafen. Dieses alkoholische Grundnahrungsmittel wird hergestellt, indem beispielsweise gekochtes Maniok gekaut wird. Anschließend wird die gekaute Masse in den Topf zurückgegeben und mit Wasser vermengt. Dann wird es einige Tage fermentiert. Es stellt dabei das wichtigste Nahrungsmittel dar und wir eben auch bei feierlichen Zeremonien gereicht. Wir hatten Glück, diesem doch etwas exotischen Getränk zu entgehen, das uns für unsere empfindlichen europäischen Seelen doch etwas zu viel Speichel zu enthalten schien!

So verließen wir das Gebiet des Rio Napos schweren Herzens, aber meinerseits mit vielen neuen Erkenntnissen, was den Robustakaffee angeht. Immer deutlicher wurde zudem, dass es sich bei den bis jetzt besuchten Kooperativen um sehr kleinbäuerliche Strukturen handelt. Umso wichtiger ist es, solchen Zusammenschlüssen mit Beratung und Weiterbildung zur Seite zu stehen und einen verlässlichen Partner darzustellen. Der hier betriebene Kaffeeanbau stellt sicherlich eine viel bessere und umweltverträglichere Alternative zu den Erdölexplorationen dar, die im gesamten Amazonastieflands ihr Unwesen treiben. 

Blattschneiderameisen

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